Sicherheit und Orientierung – Wertschätzung und Akzeptanz

13. Mai 2020

Emily, es ist okay. Mach dir keine Sorgen…
Mach dir keine Gedanken. Ich bin hier, falls du mich brauchst.

Kate’s Verhalten gegenüber ihrer Mutter signalisiert Sicherheit und Orientierung, gleichzeitig aber auch Akzeptanz, Wertschätzung und Wahrnehmung der Würde eines Menschen, die aus der Perspektive des christlichen Glaubens und der christlichen Theologie nicht an seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten begründet ist, sondern an seiner Gottesebenbildlichkeit (Gen 1,27), die als Geschenk der Beziehung zu Gott und der Welt zu verstehen ist und nicht an den Maßstäben von Leistung und Stärke gemessen wird.

So begriffen heißt die Würde eines Menschen achten: ihn als jemanden achten, den Gott ins Leben gerufen und zur Gemeinschaft mit sich bestimmt hat, und zwar unabhängig von spezifischen menschlichen Eigenschaften, in denen Menschen sich unterscheiden können. Diese Würde ist daher unverlierbar, und sie geht auch mit einer Demenzerkrankung nicht verloren.[1]

Dies gilt auch für die Fragmentarität des menschlichen Lebens.[2] Der „Koffer voller Erinnerungen“ birgt für jeden Menschen – nicht nur für den an Demenz Erkrankten – nicht nur wundervolle Überraschungen, Erfahrungen von Glück und vollkommenem Leben, sondern auch unangenehme Wahrheiten und das, was in der Vergangenheit unvollendet geblieben ist oder nicht zu einem guten Ende gekommen ist. Biografiearbeit und Erinnerungspflege wird sich auch mit erfahrenen Verlusten und mit der als unbewältigt erlebter Schuld beschäftigen: So zeichnet das Szenario von Late Afternoon auch die fragmentarischen Wege jenseits des „Sekundenglücks“. In ihren Flashbacks erinnert sich Emily an die Augenblicke von Trennung und Abschiednehmen (Der Hut im Wind wirft die Frage auf: Hat ihr Mann sie verlassen, war es ein Unfall, ist er das Opfer eines Kriegs?). Sie erlebt die unbeantworteten und unbeantwortbaren Fragen des Lebens (das „Hallo“ am Eingang der dunklen Höhle: Welche dunklen Wegen musste Emily allein gehen oder wird sie noch allein gehen müssen?), sie erinnert verantwortungsvolle Aufgaben (Mit Kate allein am Strand: War Emily alleinerziehende Mutter?) und damit verbunden auch der Frage nach Versäumnissen und Schuld (symbolisch ausgedrückt im schweren Koffer und einem Zug, der schon abgefahren ist).


[1] Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD (Hg.): Wenn die al te Welt verlernt wird – Umgang mit Demenz als gemeinsame Aufgabe. Hannover. 2015, S.49 (downloadbar auf: https://archiv.ekd.de/download/ekd_texte_120.pdf)

[2] Ebd. S. 52ff.

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